Keine Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft durch Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung unter Bestellung eines vorläufigen Sachwalters
Nicht jeder Insolvenzantrag bzw. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eines Mitglieds eines umsatzsteuerlichen Organkreises führt auch zum Ende der Organschaft.
BFH, Urt. v. 27.11.2019, XI R 35/17
BMF, Schreiben vom 22.06.2021, III C2- S7105/20/10001 :001
BMF, Schreiben vom 04.03.2021, III C2- S7105/20/10001 :001
Während die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sowohl in Fremd- als auch in Eigenverwaltung) und die vorläufige Insolvenzverwaltung (Fremdverwaltung ) grundsätzlich zur Beendigung Organschaft führen, gilt etwas anderes im Rahmen des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens:
Unlängst hat sich das BMF mit zwei Schreiben dazu geäußert, dass die vorläufige Eigenverwaltung nicht zur Beendigung der Organschaft führt (Schreiben v. 04.03.2021 und v. 22.06.2021) und schließt sich damit der Rechtsprechung des XI. Senats an (BFH Urt. v. 27.11.2019, XI R 35/17). Für die Fälle der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger bzw. bei der Organgesellschaft entschied der XI. Senat (Urt. v. 27.11.2019, XI R 35/17), dass weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch eine solche bei der Organgesellschaft eine Organschaft beenden, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird und eine insolvenzrechtliche Anordnung erlässt.
Im Unterschied zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung steht dem Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen weiterhin zu. Mit anderen Worten: er handelt im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung aufgrund seiner eigenen, privatautonomen Verfügungsmacht (siehe auch BGH, BGHZ 220, 243) und damit- auch im Unterschied zum vorläufigen Insolvenzverfahren und unbeschadet gesetzlicher Einschränkungen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, denen die Organe in der Krise unterliegen - vollständig autonom. Auswirkungen hat eine Beschränkung der Verwaltungs-und Verfügungsbefugnis der Organe durch die Insolvenzordnung erst dann, wenn sie auf eine andere Person (Sachwalter Insolvenzverwalter vorläufiger Insolvenzverwalter) übergeht und damit endet.
Die Organschaft wird im Rahmen des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens folglich nicht durch den Wegfall der Voraussetzungen der organisatorischen oder finanziellen Eingliederung beendet.
Anwendungszeitraum:
Das BMF-Schreiben vom 04.03.21 ist in allen offenen Fällen anzuwenden, in denen das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren bis einschließlich 31.12.2020 angeordnet wurden.
Für die Fälle nach dem 31.12.2020 gilt dies nur dann, wenn diese dem Anwendungsbereich des Covid-Insolvenzaussetzungsgesetzes unterfallen, d.h. wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners auf die Covid-19 Pandemie zurückzuführen ist.